Ein Gericht in der tschetschenischen Stadt Schali hat entschieden, den inhaftierten Menschenrechtsverteidiger Oyub Titiev nach fast anderthalb Jahren Gefängnis auf Bewährung freizulassen. Das ist ein wichtiger Schritt, schafft jedoch keine Gerechtigkeit.
Auch die Regensburger Amnesty-Gruppe hatte sich mit mehreren Aktionen für die Freilassung von Oyub Titiev eingesetzt.
Marie Struthers, Amnesty-Direktorin für Osteuropa und Zentralasien, äußert sich zu Oyub Titievs Haftentlassung auf Bewährung: “Wir fordern schon seit Oyub Titievs Inhaftierung seine sofortige und bedingungslose Freilassung. Das eigentliche Ziel der absurden Anklage gegen ihn war es, einen Menschenrechtsverteidiger daran zu hindern, seine rechtmäßige Menschenrechtsarbeit auszuüben.”
“Es lagen erschlagend viele Beweismittel vor, dass das Strafverfahren gegen Oyub konstruiert war. Dennoch missbrauchten die Behörden in Tschetschenien das Justizsystem, um diesen unschuldigen Mann zu verurteilen. Heute hat das zuständige Gericht dieses Unrecht zumindest abgeschwächt, indem es angeordnet hat, Oyub Titiev in zehn Tagen freizulassen.”
“Doch um wirklich Gerechtigkeit zu erlangen, muss der Schuldspruch gegen Oyub Titiev aufgehoben werden und er muss die Möglichkeit erhalten, für seine rechtswidrige Inhaftierung eine Entschädigung einzufordern. Wir fordern die russischen Behörden darüber hinaus auf, in Tschetschenien und ganz Russland für ein sicheres Umfeld für Menschenrechtverteidiger_innen zu sorgen.”
Hintergrund
Oyub Titiev, Leiter des tschetschenischen Büros des russischen Menschenrechtszentrums Memorial, wurde am 9. Januar 2018 von der Polizei in seinem Wagen gestoppt und mehrere Stunden ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Die tschetschenischen Behörden gaben später an, dass in seinem Auto Drogen “gefunden” wurden. Oyub Titiev stritt die Vorwürfe ab und bestand darauf, dass die Drogen in seinen Wagen gelegt worden seien.
Das Stadtgericht im tschetschenischen Schali verurteilte ihn am 18. März 2019 wegen Drogenbesitzes (Paragraf 228, Absatz 2 des russischen Strafgesetzbuchs) zu vier Jahren Haft in einer Strafkolonie. Als er zu dieser Strafe verurteilt wurde, hatte er bereits ein Jahr und zwei Monate in Untersuchungshaft verbracht.
Amnesty International ist der Ansicht, dass Oyub Titiev ein gewaltloser politischer Gefangener war, der sich nur deshalb inhaftiert wurde, weil er sich für Betroffene von Menschenrechtsverstößen in Tschetschenien einsetzt.