In den letzten Jahren sind viele Menschen zu uns gekommen, die sich in die Gesellschaft einbringen und sich eine neue Eigenständigkeit aufbauen wollen. Für beides ist eine Arbeit Grundvoraussetzung. Wie kann der Arbeitsmarkt ermöglichen, dass Geflüchtete besser integriert werden? Und kann Integration gelingen wenn Abschiebung eine Bedrohung bleibt?
Gäste:
- Christian Kaiser, Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz
- Jürgen Mistol MdB, Bündnis 90/Die Grünen
- Claudia Müller, Initiative “Ausbildung statt Abschiebung”
- Philipp Pruy, Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkten im Ausländer- und Asylrecht
Moderation:Dr. Carsten Lenk, Geschäftsführer des EBW Regensburg
Ort: Evangelisches Bildungswerk, Am Ölberg 2, Bonhoeffersaal (1. OG)
Zeit: 8. November, 19:00 Uhr
In Kooperation mit Evangelisches Bildungswerk (EBW) Regensburg, Campus Asyl und “Sea Eye”
“Jetzt, gut zwei Jahre nach dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingswelle, ist das Thema Arbeit für Geflüchtete ganz besonders aktuell”, erläuterte Kilian Söllner. Der Sprecher des Asyl-Arbeitskreises von Amnesty International Regensburg konnte sich über einen bis auf den letzten Platz besetzten Saal freuen. Rund 100 Bürger waren der Einladung der Gruppe zum Podiumsgespräch “Flucht, Arbeit und Integration” ins Evangelische Bildungswerk Regensburg (EBW) gefolgt. Darüber, dass ein Arbeitsplatz nicht nur als Existenzgrundlage, sondern auch wegen seiner sozialen Bedeutung von herausragender Wichtigkeit sei, waren sich die vier Diskutanten und Dr. Carsten Lenk, Moderator des Abends und Geschäftsführer des EBW, einig.
Ob ein Asylbewerber während des laufenden Verwaltungs- und Klageverfahrens arbeiten darf, liegt im Ermessen der Ausländerbehörde. Nach Auffassung des Rechtsanwalts Philipp Pruy wird die Erlaubnis zu oft mit dem Verweis auf schlechte Bleibeperspektiven verweigert, “um eine Verfestigung des Aufenthaltes zu verhindern.” Angesichts der Tatsache, dass beispielsweise nach Afghanistan auch bei Ablehnung des Asylantrags kaum abgeschoben werde, habe diese Praxis zur Folge, dass viele junge Menschen über Jahre zur Untätigkeit verdammt seien. Claudia Müller vom Amt für Jugend und Familie kennt die Probleme, die damit einhergehen. Wenn selbst ein junger Mensch mit bestem Schulabschluss einen angebotenen Ausbildungsplatz nicht annehmen dürfe, würden zudem die Sozialsysteme unnötig belastet, meinte die Sozialpädagogin von der Beratungsstelle “pur” an der Fachoberschule Regensburg. “Diese Situation ist auch für die vielen ehrenamtlichen Helfer und die Ausbildungsbetriebe unverständlich”, pflichtete ihr Jürgen Mistol von Bündnis 90/Die Grünen bei. Der Landtagsabgeordnete musste alleine die Fahne der Politik hochhalten, da sich der Asylarbeitskreis vergeblich um einen Vertreter der regierenden CSU-Fraktion bemüht hatte.
Christian Kaiser von der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz stellte heraus, dass sehr viele Betriebe der Region gerne Geflüchtete einstellen würden, es hierfür aber oft an der notwendigen Rechtssicherheit fehle. Für diese hatte eigentlich das im August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz sorgen sollen. Nach der sogenannten “3+2-Regel” haben Ausländer nun Anspruch auf eine Duldung für die Dauer einer Berufsausbildung sowie während einer anschließenden zweijährigen “ausbildungsadäquaten Tätigkeit”. Darüber, wie der Erfolg dieser Regelung zu bewerten sei, herrschte Uneinigkeit. Wenn sie einschlägig sein, funktioniere die “3+2-Regel” auch, bezog Christian Kaiser Stellung. Demgegenüber schlug sich das von Dr. Carsten Lenk einbezogene Publikum auf die Seite der übrigen Gesprächspartner, die dem Freistaat vorwarfen, die “3+2-Regel” durch die exzessive Auslegung eines Ausnahmetatbestandes zu torpedieren. In der Kontroverse wurde deutlich, dass eine Duldung meist deshalb nicht erteilt werden kann, weil es bereits an einer Arbeitserlaubnis als Grundvoraussetzung fehlt.
In ihren Erwartungen an eine neue Bundesregierung waren sich die Fachleute dann wieder einig. Sie alle befürworteten abschließend die Einführung eines Einwanderungsgesetzes. Christian Kaiser und Jürgen Mistol betonten, das Asylrecht sei nicht das geeignete Instrument, um den dringenden Personalbedarf vieler deutscher Betriebe zu decken. Wie die übrigen Anwesenden sprachen sie sich aber dafür aus, einen besseren Übergang zwischen den beiden Systemen zu schaffen, damit abgelehnte Asylbewerber leichter eine Aufenthaltsgestattung zu Ausbildungs- oder Erwerbszwecken erhalten können.
Text und Foto: Saskia Merle, Asyl-AK Amnesty International Regensburg