Was haben LehrerInnen, die um einen ausgewogenen Unterricht bemüht sind, PolizistInnen, die Zweifel an ihren Befehlen äußern und Journalisten, die gewissenhaft und unabhängig berichten gemeinsam? Sie alle können in der heutigen Türkei ihre Anstellung verlieren oder sogar inhaftiert werden. Der türkische Präsident Erdoğan herrscht immer repressiver, tritt Menschenrechte mit Füßen und schränkt die Freiheit der türkischen BürgerInnnen immer weiter ein. Bei der gesellschaftskritischen Veranstaltung Manöverkritik des Stadtjugendrings hat die Hochschulgruppe von Amnesty International Regensburg die prekäre Situation der kritischen Stimmen in der Türkei mit einem kurzen Theaterstück in drei Akten nachempfunden. Die Manöverkritik findet seit einigen Jahren in der Alten Mälzerei statt und bietet verschiedenen Gruppen die Möglichkeit auf künstlerische Weise politisch Stellung zu beziehen. Amnesty nutzte diese Gelegenheit mit ihrem Auftritt nun bereits zum zweiten Mal.
Das Stück beginnt in der vermeintlich sicheren Umgebung eines Klassenzimmers. Im Unterricht soll der Putschversuch des Jahres 2016 thematisiert werden. Doch als die Lehrerin darauf hinweist, dass es keine Beweise für die Verantwortung Fetullah Gülens für den Putsch gibt, wird sie verhaftet und entlassen. Die Botschaft ist klar: In den Schulen soll nicht kritisches Denken, sondern Linientreue vermittelt werden. Auch in anderen staatlichen Institutionen ist es nicht mehr möglich, die eigenen Gedanken frei zu äußern. Im Stück der Hochschulgruppe wird dies im zweiten Akt thematisiert: Eine Polizistin, gesteht ihrer Kollegin Zweifel an der zunehmenden Repression und fällt dieser prompt durch ihre Offenheit selbst zum Opfer. Sie wird selbst beschuldigt, eine Putschistin zu sein und wandert hinter Gitter.
Besonders bedrohlich ist die Lage in der Türkei derzeit für Journalisten. Nirgends sitzen derzeit so viele Presseschaffende hinter Gittern. In China sind es beispielsweise nicht einmal halb so viele. Folglich findet sich zum Ende des Stückes der Hochschulgruppe im dritten Akt auch eine Journalistin, die über die staatliche Willkür berichtet, im Gefängnis wieder. Gemeinsam mit der inhaftierten Lehrerin aus dem ersten Akt und der entlassenen Polizistin aus dem zweiten Akt.
Ohne Stimme, ohne Freiheit – aber eben nicht von der Welt vergessen.
Die weiteren Beiträge des Abends beinhalteten Kurzfilme die das zeitlos aktuelle Thema Alltagsrassismus humoristisch verarbeiteten, berührende Poetry Slam Texte zum Leben eines Kindersoldaten und zu sexuellem Missbrauch, , Theaterstücke zur „Leitkultur“-Debatte und zum „Fugenverlust unserer Welt“. Eine bunte Mischung, abgerundet durch die musikalischen Beiträge der Band Mayfly´s Memory, die sich keinem Genre zuordnen lies und die Stimmung dadurch wunderbar auflockerte. Die Hochschulgruppe konnte mit dem Manöverkritik-Publikum interessierte ZuschauerInnen erreichen und hatte einen tollen Abend bei Popcorn und guten Gesprächen im Anschluss an die Veranstaltung.
Eine bedauerliche Entwicklung, die zwar nicht mehr in das Stück eingearbeitet werden konnte, aber auch an diesem Abend nicht unerwähnt bleiben kann, ist die Verhaftung von Taner Kilic, dem Vorsitzenden der türkischen Sektion von Amnesty. Zusammen mit rund 40.000 anderen ist er unter fadenscheinigen Vorwürfen als vermeintlicher Putschist und Unterstützer Gülens gebrandmarkt und weggesperrt worden.Amnesty International lässt sich hiervon nicht einschüchtern und wird sich weiterhin für die Freilassung Kilics und aller anderen zu Unrecht Inhaftierten einsetzen. Die Manöverkritik bietet die hervorragende Möglichkeit die Kreativität der Gruppenmitglieder zu nutzen um eine klare Botschaft zu vermitteln:
Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht!