Zur Landtagswahl in Bayern hat das Regionalbüro von Amnesty in München bzw. unsere Landeslobbybeauftragte die im Landtag vertreten Parteien (außer AfD) mit unsere “Wahlprüfsteinen” konfrontiert. Das bisherige Ergebnis (Stand 13.09.23) findet ihr HIER.
In ähnlicher Form hat die Regensburger Amnesty-Gruppe die Direktkandidat:innen der Wahlkreise Regensburg-Stadt und Regensburg-Land der Parteien SPD, CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Freie Wähler angeschrieben:
- Werden Sie sich dafür einsetzen, in der nächsten Legislaturperiode die Kennzeichnungspflicht der Polizei einzuführen und wenn ja, auf welche Weise?
- In Bayern soll in der nächsten Legislaturperiode über den Einsatz einer Verfahrensübergreifenden Recherche- u. Analyseplattform (VeRA) entschieden werden. Welche Position vertreten Sie dazu?
- Bayern ist das Bundesland mit dem längsten Präventivgewahrsam. Sind Sie der Meinung, dass 30 Tage mit der Möglichkeit zur Verlängerung bei Ordnungswidrigkeiten und bei Straftaten angemessen ist?
- Wie beurteilen Sie den Einsatz von Tasern nach den bisher gemachten Erfahrungen in Bayern? Wie wollen Sie gewährleisten, dass der Einsatz von Tasern nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit erfolgt?
- Werden Sie sich dafür einsetzen, eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle einzurichten und wenn ja, wie möchten sie das angehen?
Wie kann die Ausbildung und Fortbildung der Polizei intensiviert und verbessert werden, damit sie ihrer Aufgabe, Menschen vor struktureller Diskriminierung zu schützen, gerecht werden kann? - Die derzeit im Landtag vertretenen Parteien haben alle Pläne für einen queeren Aktionsplan. Wie stellen Sie sich die konkrete Ausgestaltung eines solchen Aktionsplanes vor?
Wir sind uns bewusst, dass die Kandidat:innen im Wahlkampf einen engen Terminkalender haben, aber folgende Politiker haben geantwortet.
Michael Schien, Freie Wähler, Wahlkreis Regensburg-Stadt, antwortete persönlich, bat aber um Verständnis, dass er aus Zeitgründen nicht auf die Fragen eingehen kann.
Jürgen Mistol, Bündnis 90/Die Grünen, Wahlkreis Regensburg-Stadt, ließ über sein Wahlkreisbüro antworten, dass sich die gestellten Fragen inhaltlich mit dem Fragenkatalog der Wahlprüfsteine auf Landesebenen decken (siehe oben) und verwies darauf.
Dr. Merten Niebelschütz, Bündnis90/Die Grünen, Wahlkreis Regensburg-Land ging ausführlich auf die Fragen ein:
Frage 1: Werden Sie sich dafür einsetzen, in der nächsten
Legislaturperiode die Kennzeichnungspflicht der Polizei einzuführen und
wenn ja, auf welche Weise?
Antwort1:
Mit uns gibt es die individuelle Kennzeichnung für uniformierte
Polizeibeamt*innen, eine Studie zu institutionellem Rassismus und
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit innerhalb der Sicherheitsbehörden
und eine*n unabhängige*n Polizeibeauftragte*n mit Ermittlungskompetenz
Frage 2: ln Bayern soll in der nächsten Legislaturperiode über den
Einsatz einer Verfahrensübergreifenden Recherche- u. Analyseplattform
(VeRA) entschieden werden. Welche Position vertreten Sie dazu?
Antwort 2:
Die Bekämpfung von Hass im Netz, Internet- und Computerkriminalität
werden wir intensivieren. Es braucht ein Landesmaßnahmenpaket gegen die
organisierte Kriminalität, das auch eine verstärkte Bekämpfung der
Geldwäsche beinhaltet. Wir werden Gefährder*innen engmaschig überwachen
und deren Netzwerke aufdecken.
Den Einsatz automatisierter Software zur Datenauswertung ohne eine klare
Rechtsgrundlage und strenge Kontrollmechanismen sowie „Predictive
Policing“ zur Vorhersage von Straftaten lehnen wir deswegen ab.
Software, die die Polizei zur Verarbeitung personenbezogener Daten nutzt,
sollte nur auf staatseigenen Servern gespeichert werden.
Frage 3: Bayern ist das Bundesland mit dem längsten Präventivgewahrsam.
Sind Sie der Meinung, dass 30 Tage mit der Möglichkeit zur Verlängerung
bei Ordnungswidrigkeiten und bei Straftaten angemessen ist?
Antwort 3:
Wir modernisieren das Polizeiaufgabengesetz und lehnen es entschieden ab,
die Eingriffsschwellen in Grund- und Bürgerrechte abzusenken und Menschen
bis zu zwei Monate in Präventivhaft zu stecken.
Frage 4: Wie beurteilen Sie den Einsatz von Tasern nach den bisher
gemachten Erfahrungen in Bayern? Wie wollen Sie gewährleisten, dass der
Einsatz von Tasern nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit erfolgt?
Antwort 4:
Wir setzen uns hinsichtlich des Einsatzes von Tasern für die
ausschließliche Verwendung durch Spezialeinheiten ein.
Frage 5: Werden Sie sich dafür einsetzen, eine unabhängige
Polizeibeschwerdestelle einzurichten und wenn ja, wie möchten sie das
angehen?
Antwort 5: Eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle würde es
Polizist*innen und Bürger*innen ermöglichen, niedrigschwellig und auf
Augenhöhe mit der Polizei in Kontakt zu treten, wenn es Anlass zur Sorge
gibt. Sie ist ein notwendiger Schritt zur Professionalisierung und
Institutionalisierung von Beschwerdeverfahren. Gemäß unserem
Gesetzentwurf vom 21.10.2020 wird als zentrale Beschwerdestelle ein*e
unabhängige*r Polizeibeauftragte*r eingesetzt, der/die außerhalb der
Organisationsstrukturen der Polizei am Bayerischen Landtag angesiedelt
ist.
Frage 6: Wie kann die Ausbildung und Fortbildung der Polizei intensiviert
und verbessert werden, damit sie ihrer Aufgabe, Menschen vor struktureller
Diskriminierung zu schützen, gerecht werden kann?
Antwort 6:
Wir fördern die Vielfalt, sensibilisieren gegen Diskriminierung,
modernisieren die Ausbildung und verankern regelmäßige Fortbildungen,
stärken die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Möglichkeit
zur Supervision.
Frage 7: Die derzeit im Landtag vertretenen Parteien haben alle Pläne
für einen queeren Aktionsplan. Wie stellen Sie sich die konkrete
Ausgestaltung eines solchen Aktionsplanes vor?
Antwort 7:
Ein selbstbestimmtes Leben muss für alle Menschen, unabhängig von ihrer
sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität, jederzeit und
überall möglich sein. Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und inter*
Personen sowie alle anderen queeren Menschen gehören zu einer
Personengruppe, die mit am meisten Diskriminierung erfährt. Deswegen
treiben wir die vollständige Gleichstellung von LSBTIQ* Personen und
Regenbogenfamilien voran.
Dazu legen wir einen Aktionsplan für die Akzeptanz von sexueller und
geschlechtlicher Vielfalt vor, um alltägliche Diskriminierung, Intoleranz
und gewaltsame Übergriffe zu beenden.
Bayern muss sich als letztes Bundesland ohne Aktionsplan den
Benachteiligungen queerer Menschen endlich stellen und in den Bereichen
Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Beratung, Asyl und Migration, Sport und
Freizeit, öffentlicher Dienst, Erinnerungskultur sowie Sichtbarkeit
dafür sorgen, Diskriminierung ab- und Akzeptanz aufzubauen. Die darin
festgehaltenen Maßnahmen werden wir regelmäßig evaluieren, anpassen und
finanziell solide ausstatten.
Wir schaffen niederschwellige Unterstützungs- und Beratungsangebote für
queere Jugendliche, Erwachsene und Regenbogenfamilien gerade auch auf dem
Land und setzen dabei auf die Expertise bereits bestehender engagierter
Institutionen. Deren häufig rein ehrenamtlich geleistete Arbeit wollen
wir durch verlässliche finanzielle Förderung stärken. Mit Kampagnen zur
Steigerung von Akzeptanz in Tagesstätten, Schulen und an
Ausbildungsstellen stärken wir junge Menschen in der Coming-out-Phase.
Bei der Polizei setzen wir feste Ansprechpersonen für Opfer
queerfeindlicher Straftaten ein.
Das Stadt-Land-Gefälle in den Bereichen Beratung und Gesundheit werden
wir stetig abtragen und für gleiche Verhältnisse im Allgäu und in
Nürnberg, im Bayerischen Wald und in München sorgen.
Analog zur Bundesregierung werden wir in der Bayerischen Staatsregierung
eine*n Queer- Beauftragte*n einsetzen, die*der die Evaluation des
Aktionsplans verantwortet und eine unüberhörbare Stimme für die
Community ist.
Wir danken allen, die sich die Mühe für eine Antwort gemacht haben und aktualisieren diese Liste, falls noch weitere Antworten eingehen.