China: COVID-Aktivist in Foltergefahr

A woman (R) wearing a face mask uses her mobile phone at a subway station in Beijing on April 11, 2020, amid the COVID-19 coronavirus pandemic. (Photo by WANG ZHAO / AFP) (Photo by WANG ZHAO/AFP via Getty Images)

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Der Aktivist Chen Mei und zwei weitere Personen wurden am 19. April in Peking von der Polizei abgeführt. Ihre Festnahme hängt augenscheinlich mit ihrer Beteiligung an dem Online-Projekt Terminus2049 zusammen, das von der chinesischen Zensurbehörde blockierte oder gelöschte Nachrichtenartikel zu COVID-19 wiederherstellt. Über den Verbleib und das Schicksal von Chen Mei ist nichts bekannt und es besteht daher große Sorge, dass er gefoltert oder anderweitig misshandelt werden könnte.

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Sachlage

Der Menschenrechtsverteidiger Chen Mei wurde am 19. April gemeinsam mit zwei weiteren Personen, die sich an dem Online-Projekt Terminus2049 beteiligen, von der Polizei abgeführt. Die Familien der beiden anderen Personen haben grundlegende Informationen über deren Festnahme erhalten, während die Verwandten von Chen Mei keinerlei Details erhalten haben.

Chen Mei scheint lediglich deshalb festgenommen worden zu sein, weil er öffentliche Informationen über COVID-19 zusammengetragen hat. Das Recht auf Informationsfreiheit ist ein zentraler Aspekt des Rechts auf freie Meinungsäußerung, das in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist.

Seit dem Ausbruch der Pandemie in China gibt es Berichte darüber, dass unabhängige Journalist_innen von der Polizei abgeführt werden und Personen, die offen Kritik an der Krisenbewältigungsstrategie der Regierung üben, drangsaliert werden. Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass die willkürliche Einschränkung der Informationsfreiheit und des öffentlichen Dialogs der öffentlichen Gesundheit abträglich ist und schwere Folgen für den Gesundheitsschutz haben kann.

Chen Mei hat keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand und sein Verbleib ist unbekannt. Es besteht daher große Sorge, dass er gefoltert oder anderweitig misshandelt werden könnte.

 

Hintergrundinformation

Die Anti-Zensur-Initiative Terminus2049 wurde im Januar 2018 mittels der Online-Plattform GitHub eingerichtet. Das Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, von der chinesischen Zensurbehörde blockierte bzw. gelöschte Nachrichtenartikel oder Social-Media-Beiträge wiederherzustellen. Mittlerweile hat Terminus2049 Hunderte Artikel, darunter auch zahlreiche Beiträge über COVID-19, wieder zugänglich gemacht.

Am 19. April wurden Chen Mei, Cai Wie und dessen Freundin (Vorname unbekannt, Nachname Tang) in Peking von der Polizei mitgenommen. Die Familienangehörigen von Cai Wei und seiner Freundin haben Berichten zufolge am 24. und 25. April Informationen von der Polizei des Stadtteils Chaoyang erhalten. Demnach wurden die beiden „an einem dafür vorgesehenen Ort unter Überwachung gestellt“, weil man ihnen vorwirft, „Streit angefangen und Ärger provoziert“ zu haben. Ausgehend von diesen Informationen ist anzunehmen, dass Chen Mei in einer ähnlichen Situation ist.

Seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie in China sind zahlreiche Artikel über das Coronavirus zensiert worden, darunter auch Beiträge, die in Maintream-Medien wie z. B. einem Ableger der Zeitung Beijing Youth Daily und dem Magazin Caijing veröffentlicht wurden. Bestimmte Social-Media-Beiträge, politisch sensible Hashtags sowie Forderungen nach Meinungsfreiheit werden routinemäßig gelöscht bzw. zensiert.

Es liegen zahlreiche Berichte darüber vor, dass unabhängige Journalist_innen und Aktivist_innen von den Behörden drangsaliert wurden, weil sie in den Sozialen Medien Informationen über COVID-19 gepostet hatten. Hierzu zählt auch der Rechtsanwalt und Bürgerjournalist Chen Qiushi, der über behördliche Schikane berichtete, nachdem er Aufnahmen aus Krankenhäusern in Wuhan ins Internet gestellt hatte. Ebenso Fang Bin aus Wuhan, der kurzzeitig von den Behörden festgehalten wurde, nachdem er ein Video geteilt hatte, in dem Personen zu sehen sind, die mutmaßlich an COVID-19 gestorben sind.

Die „Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort“ ist eine Maßnahme, mit der strafrechtliche Ermittler_innen Personen unter bestimmten Umständen für bis zu sechs Monate außerhalb des formellen Haftsystems festhalten können. Dies kann unter bestimmten Umständen einer Form der geheimen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gleichkommen. Wenn Inhaftierten unter dieser Form der „Überwachung“ der Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, ihren Familien und allen anderen Menschen außerhalb der Haft verweigert wird, sind sie erhöhter Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Art der Haft wird benutzt, um die Aktivitäten von Menschenrechtsverteidiger_innen, darunter Rechtsbeistände, Aktivist_innen und Religionsausübende, zu unterdrücken. Menschenrechtsverteidiger_innen und andere Aktivist_innen sind weiterhin systematischer Überwachung, Schikane, Einschüchterung, Festnahme und Inhaftierung ausgesetzt.